Weitere Leserbriefe
„Mehr Macher, weniger Verwalter“

Johann Wild, Neumarkt, 22.6.2025

„Bürgerentscheid ist bindend“

Stefan Blomeier, Riebling, 8.5.2025

„Unsinnige Natur-Aktion“

Tobias Kremmel, Neumarkt, 30.3.2025

Dankeschön an Feuerwehr

Gert und Ingrid Maschek, Sengenthal, 3.7.2024

„Fülle anderer Möglichkeiten“

Alfons Greiner, Neumarkt, 4.5.2024

Fußgänger benachteiligt?

Alfons Greiner, Neumarkt, 5.12.2023

[1] - 2 - 3 - 4 - 5 ... Ende

Leserbriefe

Offener Brief: Bundestagsabstimmung über den Fiskalpakt

Sehr geehrter Herr Karl,

um die positive wirtschaftliche Entwicklung in unserer Region nicht dauerhaft zu gefährden, bitte ich Sie, dem europäischen Fiskalpakt (völkerrechtlicher Fiskalvertrag) im Bundestag am 29.Juni nicht zuzustimmen.

Mit dem Fiskalpakt sollen öffentliche Ausgaben nur noch gemacht werden, wenn keine Neuverschuldung nötig ist. Die Steuereinnahmen sollen künftig die Höhe der Ausgaben bestimmen. Was zunächst vernünftig klingt, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als Würgegriff.

Wächst eine Volkswirtschaft robust und die Steuereinnahmen sprudeln, kann diese Vorgabe erfüllt werden, ohne die staatliche Investitionstätigkeit einzuschränken. Sinken jedoch die Steuereinnahmen wegen Konjunkturschwankungen oder einer anhaltenden Rezession, so müssen die Staatsausgaben gekürzt werden. Eine prozyklische Finanzpolitik würde einsetzen und jede ökonomische Erholung abwürgen, wie augenblicklich in Griechenland eindrucksvoll zu besichtigen ist.

Geringere Einnahmen hätten Ausgabenkürzungen zur Folge. Ein Gegensteuern über Konjunkturprogramme und Investitionsanreize wäre unmöglich.

Als Erinnerung sei angemerkt, dass es vor allem die nationalen Konjunkturprogramme waren, mit denen Deutschland im Jahr 2010 überraschend schnell aus der Wirtschaftskrise gekommen ist. Die Regeln des Fiskalpaktes würden diese offensive Konjunkturpolitik unmöglich machen. In der Rezession müsste gespart werden, was diese wiederum verschärfen würde. Öffentliche Investitionen dürften nicht über Schulden finanziert werden. Das ist ökonomisch unsinnig. Jedes Unternehmen nimmt Kredite auf, wenn es Investitionen tätigen will. Investitionen schaffen Wachstum und ermöglichen die Tilgung der Kredite. Sie sind eine wichtige Triebfeder der Wirtschaft.

Fatal ist die Logik des Fiskalpaktes, der den Schuldenabbau nicht über höhere und effektivere Besteuerung, sondern ausschließlich über weniger Ausgaben erreichen will. In Artikel 3, Absatz 1, Buchstabe b ist explizit festgeschrieben, dass die Fortschritte bei der Haushaltskonsolidierung anhand einer "Analyse der Ausgaben" erfolgen soll, nicht der Einnahmen. An verschiedenen Stellen des Fiskalvertrages - insbesondere in Artikel 9 - verpflichten sich die Regierungen, die "Wettbewerbsfähigkeit" zu fördern. In den Augen der Europäischen Kommission bedeutet dies insbesondere Kostensenkung für Unternehmer. Eine Erhöhung der Gewinnsteuern oder Spitzensteuersätze, die eine sozial gerechte Haushaltskonsolidierung ermöglichen würde, widerspräche diesem Denken. Hierzulande könnten Kostensenkungen für Unternehmen auch bedeuten, ihre Beiträge in unserer Sozialversicherungen zu senken. Dies hieße nichts anderes, als weniger Geld für Kranke, Rentner, Pflegebedürftige und Arbeitslose.

Unter dem Strich muss ich feststellen: Dieser Fiskalpakt ist nicht nur unsozial, sondern auch ökonomisch schädlich. Deshalb warnen zahlreiche Ökonomen, darunter die Nobelpreisträger Paul Krugman und Joseph Stiglitz, vor den ökonomischen Folgen des Fiskalpaktes, der keine Probleme löst, sondern unsoziale Ausgabenkürzungen erzwingt. Nebenbei sei bemerkt, dass der Fiskalpakt, sollte er so beschlossen werden, auch Ihr Recht als Abgeordneter des Bundestages auf eigenständige Haushaltsentscheidungen einschränkt.

Ich kann Ihnen versichern, dass es dem DGB nicht darum geht, sich gegen gezielten Schuldenabbau oder für neue Schulden auszusprechen. Es geht darum, den Weg aus der Krise nicht einseitig über Ausgabenkürzungen bewältigen zu wollen. Bei 27 000 Milliarden Euro Privatvermögen in der Eurozone kann von Geldmangel doch wirklich keine Rede sein. Angesichts dieser beeindruckenden Zahl ist sowohl der Schuldenabbau, als auch die Finanzierung von Investitionen auch über alternative Strategien denkbar. Auf den Prüfstand muss diesbezüglich auch die Staatsfinanzierung über freie Märkte, deren Spekulationscharakter die Zinsen notleidender Länder in die Höhe treibt und deren Finanzprobleme systembedingt verschärft.

Diese Alternativen werden durch den Fiskalpakt praktisch verworfen. Die vage Aussicht auf die notwendige Finanztransaktionssteuer ändert diese grundsätzliche Weichenstellung nicht.

Wenn heute und in Zukunft durch die Ratifizierung des völkerrechtlichen Fiskalvertrags, das Sparen in der Rezession diese überwinden soll, so ist das Selbstmord aus Angst vor dem Tod.

Mit diesem Offenen Brief, den wir morgen auch an die regionalen Medien weiterleiten werden, möchte ich Sie überzeugen, im Deutschen Bundestag für eine soziale und ökonomisch vernünftige Politik und damit gegen den Fiskalpakt zu votieren.

Mit freundlichen Grüßen

Christian Dietl
Regionsvorsitzender
DGB-Region Regensburg
22.6.2012


Übrigens: Sie können jetzt alle Themen aus neumarktonline auch im NEUMARKTER FORUM diskutieren
Telefon Redaktion


Berg im Internet - die Lokalausgabe der Internet-Tageszeitung neumarktonline. Aktuelle Berichte, Meldungen und News aus Berg im Internet
ISSN 1614-2853
15. Jahrgang
Berg im Internet - die Lokalausgabe der Internet-Tageszeitung neumarktonline. Aktuelle Berichte, Meldungen und News aus Berg im Internet
ISSN 1614-2853
15. Jahrgang