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Leserbriefe
Offener Brief: Bundestagsabstimmung über den Fiskalpakt
Sehr geehrter Herr Karl,
um die positive wirtschaftliche Entwicklung in unserer Region nicht dauerhaft
zu gefährden, bitte ich Sie, dem europäischen Fiskalpakt (völkerrechtlicher
Fiskalvertrag) im Bundestag am 29.Juni nicht zuzustimmen.
Mit dem Fiskalpakt sollen öffentliche Ausgaben nur noch gemacht werden, wenn
keine Neuverschuldung nötig ist. Die Steuereinnahmen sollen künftig die Höhe
der Ausgaben bestimmen. Was zunächst vernünftig klingt, entpuppt sich bei
genauerer Betrachtung als Würgegriff.
Wächst eine Volkswirtschaft robust und die Steuereinnahmen sprudeln, kann
diese Vorgabe erfüllt werden, ohne die staatliche Investitionstätigkeit
einzuschränken. Sinken jedoch die Steuereinnahmen wegen
Konjunkturschwankungen oder einer anhaltenden Rezession, so müssen die
Staatsausgaben gekürzt werden. Eine prozyklische Finanzpolitik würde
einsetzen und jede ökonomische Erholung abwürgen, wie augenblicklich in
Griechenland eindrucksvoll zu besichtigen ist.
Geringere Einnahmen hätten Ausgabenkürzungen zur Folge. Ein Gegensteuern über
Konjunkturprogramme und Investitionsanreize wäre unmöglich.
Als Erinnerung sei angemerkt, dass es vor allem die nationalen
Konjunkturprogramme waren, mit denen Deutschland im Jahr 2010 überraschend
schnell aus der Wirtschaftskrise gekommen ist. Die Regeln des Fiskalpaktes
würden diese offensive Konjunkturpolitik unmöglich machen. In der Rezession
müsste gespart werden, was diese wiederum verschärfen würde. Öffentliche
Investitionen dürften nicht über Schulden finanziert werden. Das ist
ökonomisch unsinnig. Jedes Unternehmen nimmt Kredite auf, wenn es
Investitionen tätigen will. Investitionen schaffen Wachstum und ermöglichen
die Tilgung der Kredite. Sie sind eine wichtige Triebfeder der Wirtschaft.
Fatal ist die Logik des Fiskalpaktes, der den Schuldenabbau nicht über höhere
und effektivere Besteuerung, sondern ausschließlich über weniger Ausgaben
erreichen will. In Artikel 3, Absatz 1, Buchstabe b ist explizit
festgeschrieben, dass die Fortschritte bei der Haushaltskonsolidierung anhand
einer "Analyse der Ausgaben" erfolgen soll, nicht der Einnahmen. An
verschiedenen Stellen des Fiskalvertrages - insbesondere in Artikel 9 -
verpflichten sich die Regierungen, die "Wettbewerbsfähigkeit" zu fördern. In
den Augen der Europäischen Kommission bedeutet dies insbesondere
Kostensenkung für Unternehmer. Eine Erhöhung der Gewinnsteuern oder
Spitzensteuersätze, die eine sozial gerechte Haushaltskonsolidierung
ermöglichen würde, widerspräche diesem Denken. Hierzulande könnten
Kostensenkungen für Unternehmen auch bedeuten, ihre Beiträge in unserer
Sozialversicherungen zu senken. Dies hieße nichts anderes, als weniger Geld
für Kranke, Rentner, Pflegebedürftige und Arbeitslose.
Unter dem Strich muss ich feststellen: Dieser Fiskalpakt ist nicht nur
unsozial, sondern auch ökonomisch schädlich. Deshalb warnen zahlreiche
Ökonomen, darunter die Nobelpreisträger Paul Krugman und Joseph Stiglitz, vor
den ökonomischen Folgen des Fiskalpaktes, der keine Probleme löst, sondern
unsoziale Ausgabenkürzungen erzwingt. Nebenbei sei bemerkt, dass der
Fiskalpakt, sollte er so beschlossen werden, auch Ihr Recht als Abgeordneter
des Bundestages auf eigenständige Haushaltsentscheidungen einschränkt.
Ich kann Ihnen versichern, dass es dem DGB nicht darum geht, sich gegen
gezielten Schuldenabbau oder für neue Schulden auszusprechen. Es geht darum,
den Weg aus der Krise nicht einseitig über Ausgabenkürzungen bewältigen zu
wollen. Bei 27 000 Milliarden Euro Privatvermögen in der Eurozone kann von
Geldmangel doch wirklich keine Rede sein. Angesichts dieser beeindruckenden
Zahl ist sowohl der Schuldenabbau, als auch die Finanzierung von
Investitionen auch über alternative Strategien denkbar. Auf den Prüfstand
muss diesbezüglich auch die Staatsfinanzierung über freie Märkte, deren
Spekulationscharakter die Zinsen notleidender Länder in die Höhe treibt und
deren Finanzprobleme systembedingt verschärft.
Diese Alternativen werden durch den Fiskalpakt praktisch verworfen. Die vage
Aussicht auf die notwendige Finanztransaktionssteuer ändert diese
grundsätzliche Weichenstellung nicht.
Wenn heute und in Zukunft durch die Ratifizierung des völkerrechtlichen
Fiskalvertrags, das Sparen in der Rezession diese überwinden soll, so ist das
Selbstmord aus Angst vor dem Tod.
Mit diesem Offenen Brief, den wir morgen auch an die regionalen Medien
weiterleiten werden, möchte ich Sie überzeugen, im Deutschen Bundestag für
eine soziale und ökonomisch vernünftige Politik und damit gegen den
Fiskalpakt zu votieren.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Dietl
Regionsvorsitzender
DGB-Region Regensburg
22.6.2012
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