Neuer alter Vorschlag


Nicht weit weg, aber "geringere Eingriffe": der neue alte "Standort 2"

NEUMARKT. Bei den aussichtsreichsten Standorten für ein Biomasseheizkraftwerk in Neumarkt ist jetzt ein alter Vorschlag wieder aufgetaucht.

Der sogenannte "Standort 2" nördlich des Berliner Rings und südlich der Schmermühle war bei der Prüfung im Herbst letzten Jahres mit einem "Ausschlußkritierium" versehen, hieß es von den Planern am Donnerstag in den Neumarkter Stadtwerken bei der Vorstellung der neuesten Gutachten. Inzwischen habe sich der Grundbesitzer aber plötzlich verkaufswillig gezeigt, so daß dieses Gelände wieder ganz nach oben gerückt ist.

Gegenüber dem bisher favorisierten Gelände westlich des Kanals ergibt sich sogar der Vorteil, daß der Bau am "Standort 2" einen "geringeren Eingriff in die landschaftlichen Schutzgüter" ermögliche. Statt "mittel bis hoch" wird der Eingriff am "Standort 2" mit "mittel" bewertet.

Im Original

neumarktonline-Leser können sich die Gutachten hier herunterladen:
Nach dem Studium der Gutachten sei man zu dem Ergebnis gekommen, daß das Kraftwerk mit einer Auslastung von etwa 48.000 Megawattstunden deutlich wirtschaftlicher arbeite, hieß es. Zwar brauchen die bislang angemeldeten Vorvertragskunden nur 33.000 Megawattstunden, doch in den Stadtwerken und im Rathaus ist man sicher, daß die Nachfrage groß sein wird - vor allem, wenn man durch die günstige Lage von "Standort 2" auch den Stadtteil Altenhof mit einer normalen Fernwärmeleitung erschließen kann. Die Kosten sollen allerdings von bisher 30 auf 36 Millionen Euro steigen.

Beim Pressetermin in den Stadtwerken wurde am Donnerstag das Gutachten des Instituts für Energietechnik an der Hochschule Amberg-Weiden vorgestellt, das im Auftrag der Stadtwerke Neumarkt die Auslegung der Firma eta Energieberatung für das geplante Heizkraftwerk in Neumarkt energetisch auf Plausibilität überprüfte.

Gegenstand dieser Prüfung sind aber ausschließlich die thermodynamischen Kreislaufrechnungen für das Heizkraftwerk und die prognostizierte Strom- und Wärmeerzeugung, hieß es. Der Prozessdampf- und Wärmebedarf bei den einzelnen Abnehmern wurde nicht überprüft, ebenso wenig wie die Auslegung der Dampfleitung und des Fernwärmenetzes sowie die Wirtschaftlichkeit der Anlage.

Wir veröffentlichen die "Zusammenfassung und Empfehlung" des Instituts leicht gekürzt im Wortlaut:

Die Jahresdauerlinie des thermischen Energiebedarfs, auf Basis derer die Auslegung des Heizkraftwerks erfolgt, sind gekennzeichnet durch einen hohen Wärmebedarf im Winter und einem vergleichsweise geringen Bedarf im Sornmerbetrieb, der v.a. auf den großen Anteil an Heizwärmeabnehmer im Fernwärmenete zurückzuführen ist. Der von der Fa. eta vorgeschlagene Dampfkraftprozess mit Entnahme-Kondensationsturbine erscheint vor diesem Hintergrund im Grundsatz sinnvoll, da hier die Dampfauskopplung flexibel dem Bedarf angepasst werden kann, ohne dass der Biomasse-Dampferzeuger in weiten Bereichen in der Leistung moduliert werden muss. Der Prozess kann über das gesamte Jahr hinweg mit hoher Auslastung betrieben werden, wobei in den Wintermonaten der Schwerpunkt bei der Prozessdampferzeugurtg liegt, während in den Sommermonaten im Kondensattonsbetrieb hauptsächlich Strom erzeugt wird. Die thermische Leistung kann sowohl durch eine Modulation der Kesselleistung, als auch durch unterschiedlich hohe Dampfentnahrnen aus der Turbine variiert werden.

Im Rahmen der Planungen wurden von der Fa. eta Energieberatung drei verschiedene Turbinenschaltunen entwickelt. Turbinenschaltung A sieht eine gemeinsame Auskopplung von Prozessdampf und Dampf zur Fernwärmeerzeugung aus der Turbine bei 8 bar Druck vor und lässt sich aus energetischer Sicht nur bei im Vergleich zum Prozessdampfbedarf geringem Femwärmebedarf rechtfertigen.

Thermodynamisch günstiger ist die getrennte Auskopplung von Prozessdampf auf hohem Druckniveau (9 bar) und Fernwärme auf niedrigerem Druckniveau (2 bar, Turbinenschaitung B), die von der Fa. eta Energieberatung für die weiteren Planungen zugrunde gelegt wird. Turbinenschaltung C sieht als Alternative eine Prozessdampfentnahme bei 9 bar und eine Fernwärmebereitstellung im Turbinen-Gegendruckbetrieb vor. Der Vorteil hierbei ist, dass im Winterbetrieb die gesamte bereitgestellte Dampfmenge genutzt wird und hohe Gesamtwirkungsgrade erreicht werden können. Nachteilig wirkt sich der höhere Kondensatordruck im Gegendruckbetrieb aus, der das Enthalpiegefälle über die Turbine verringert und die elektrische Leistung sinken läßt.

Für die Auslegung des Heizkraftwerks wurden 5 Szenarien mit unterschiedlichem hohem Wärmebedarf betrachtet. Der durch Vorverträge abgesicherte jährliche Wärmebedarf liegt bei 33 000 MWh/a, bei den Planungen wird jedoch von einem realistischen Wärmebedarf von mindestens 48 000 MWh/a mit einem Potential von bis zu 130 000 MWh/a ausgegangen (jeweils Prozessdampf + Fernwärme).

Aus energetischer Sicht ist das Wärmebedarf-Szenario 48 000 MWh/a, bei dem ein Netto-Gesamtnutzungsgrad des Dampfprozesses von etwa 47% erreicht wird, lediglich ais Ausgangspunkt für einen weiteren Ausbau des Heizkraftwerks zu sehen, andernfalls ist die Anlage als deutlich überdimensioniert zu bewerten. Das im AGFW Arbeitsblatt FW308 definierte Nutzungsgradpotentjal von mindestens 80%, bei dem die gesamte erzeugte Nettostrommenge als KWK-Strom gewertet würde, wird in keinem der berechneten Szenarien erreicht. Dies ist v.a. auf den vergleichsweise geringen Wärmebedarf im Sommer zurückzuführen, der eine volle Wärmenutzung nicht zulässt. Durch weitere Wärme- bzw. Kälteabnehmer für Trocknungsprozesse und Bereitstellung von Klimalisierungskälte im Sommer lässt sich dieses noch verfügbare Potential zusätzlich nutzen.

Die besten Nutzungsgrade ergeben sich mit etwa 62% in den beiden Szenarien mit 130 000 MWh/a Wärmebedarf, wobei der Turbinen-Gegendruckbetrieb hier weiteres Potential zur Verringerung der Verluste durch eine Reduzierung des Dampfdurchsatzes im Sommerbetrieb aufweist. Aufgrund der hohen Wärmelast im Winter muss bei einem Wärmebedarf von 130 000 MWh/a ein beträchtlicher Anteil durch den Spitzenlastkessel gedeckt werden, da die Wärmeleistung des Biomasse-Dampfprozesses nicht mehr ausreicht. Aus wirtschaftlicher Sicht sollte hier ein zusätzlicher Biomasse-Mittellastkessel betrachtet werden, für den Synergieeffekte mit der vorhandenen Brennstoff Infrastruktur des Biomasse-Dampfkessels genutzt werden könnten.

Für die Zukunft ist aufgrund von Sanierungsaktivitäten und energieeffizienten Neubauten von einem flacheren Verlauf der Jahresdauerlinien mit einem stärker ausgeprägten Sommeranteil (Brauchwassererwärmung) und geringeren Winterspitzen auszugehen. Dies wirkt sich tendenziell positiv auf die Energieeffizienz und Wirtschaftlichkeit des Biomasse-Heizkraftwerks aus, da der Spitzenlastbedarf sinkt und die Wärmeabnahme im Sommer und damit auch die KWK-Stromerzeugung steigt.

Für eine ganzjährige zentrale Versorgung mit Wärme und Prozessdampf existieren beim vorliegenden Lastprofil kaum Alternativen zu der von der Fa. eta vorgeschlagenen Lösung. Eine reine Gegendruckturbine, bei der stets der gesamte Abdampf als Prozessdampf genutzt wird, empfiehlt sich nur bei Prozessen mit ganzjährig gleichmäßig hohem Dampfbedarf. Im vorliegenden Fall müsste die Dampfleistung in weiten Bereichen moduliert werden um den Prozesswärmebedarf flexibel zu decken und die Anlage im Sommer u.U. zeitweise vollständig stillgelegt werden.

Eine Biomassefeuerung mit ORG-Anlage scheidet ebenfalls aus, da hier in der Regel kein Prozessdampf, sondern lediglich Heißwasser erzeugt wird. Gleiches gilt für Holzvergaseranlagen, bei denen das primäre Ziel die Erzeugung eines brennbaren Gases für den Einsatz in Gasmotoren und -turbinen oder für chemische Synthesezwecke ist und Prozessdampf in der Regel nicht auskoppelt werden kann. Würde auf die zentrale Bereitstellung von Prozessdampf verzichtet, eröffnen sich weitere Alternativen bei der Wahl des Wärmeerzeugers (z.B. ORC-Anlage, Verbrennungsmotor-BHKW). Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Dampferzeugung dann weiterhin dezentral über öl- oder gasbetriebene Kessel bei den jeweiligen Dampfverbrauchern erfolgen müsste und z.B. ein ORC-Prozess aufgrund mangelnden Wärmebedarfs im Sommer evtl. nicht ausreichend ausgelastet wäre.

Eine belastbare Prüfung von Alternativen zu dem von der Fa. eta vorgeschlagenen Dampfkraftprozess erfordert eine detaillierte Betrachtung der verschiedenen möglichen Energieversorgungskonzepte und ist im Rahmen der vorliegenden Plausibilitätsprüfung nicht möglich.

Als Empfehlung für die weitere Verfeinerung der technischen Planung und der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung lässt sich zusammenfassend feststellen:
  • Wird von einem Wärmebedarf von 48 000 MWh/a ohne weiteren Ausbau ausgegangen, besitzt das Heizkraftwerk aus energetischer Sicht noch umfangreiche Wärmereserven. Eine Verkleinerung der Anlage ist in diesem Fall zu empfehlen, insbesondere vor dem Hintergrund möglicherweise steigender Brennstoffpreise.
  • Bei voller Ausschöpfung des Potentials an Wärmeabnehmern mit bis zu 130 000 MWh/a ist ein biomassebefeuerter Mittelastkessel in Betracht zu ziehen und wirtschaftlich zu prüfen, um den Anteil fossiler Energien gering zu halten.
  • Bei allen Szenarien ist eine weitere Verringerung des Dampfdurchsatzes im Sommerbetrieb zu prüfen, um die Verluste aus der Dampfkondensation zu verringern. Insbesondere Turbinenschaltung C mit Fernwärmeerzeugung im Gegendruckbetrieb weist hier das Potential für höhere Gesamtwirkungsgrade auf.
  • Turbinenschaltung B (Kondensationsbetrieb mit paralleler Auskopplung von Prozessdampf und Fernwärme über zwei getrennten Leitungen) stellt die flexibelste Variante für einen stufenweisen Ausbau der Fernwärmenetzes dar und sollte die Ausgangsbasis für die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung darstellen. Eine Gegendruckschaltung der Turbine empfiehlt sich nur, wenn bereits von Anfang an ein ganzjährig konstant hoher Wärmebedarf vorhanden ist.
  • Als zusätzlicher ganzjähriger Wärmeabnehmer auf niedrigem Temperaturniveau ist ein Trocknungsprozess (z.B. Holzbrikettieranlage} bzw. eine Gärtnerei oder Kläranlage zu prüfen. Hier könnte evtl. auch die Abwärme der Turbinen-Kondensationsschaltung (ca. 46 Grad C) noch genutzt werden und so der KWK-Anteil des Kraftwerksprozesses gesteigert werden.
  • Bei den Szenarien mit niedrigem und mittlerem Wärmebedarf (33 000 MWh/a, 48 000 MWh/a, 60 000 MWh/a) geht ein großer Teil der eingesetzten Brennstoffenergie über die Dampfkondensation nach der Turbine verloren, bei den Szenarien mit hohem Wärmebedarf (130 000 MWh/a) muss ein beträchtlicher Anteil des Wärmebedarfs über den Spitzenlastkessel gedeckt werden. Beides macht die Wirtschaftlichkeit der Anlage empfindlich gegenüber Schwankungen der Brennstoftpreise.
08.04.10
neumarktonline: Neuer alter Vorschlag
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ISSN 1614-2853
15. Jahrgang
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