Nackt mit Messer gedroht

NEUMARKT. Mit mehr als nur mit einem "blauen Auge" ist ein 46 Jahre alter Berchinger Frührentner davon gekommen, der sich am Donnerstag wegen Körperverletzung, versuchter Nötigung, räuberischer Erpressung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vor der 13. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth verantworten musste.

Hätte er die Taten nicht im "Zustand der Schuldunfähigkeit" begangen, hätte ihm eine Freiheitsstrafe von drei Jahren aufwärts geblüht. So aber verfügte das Gericht zwar seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, der er jedoch nicht nachzukommen braucht, wenn er sich fünf Jahre lang an strenge Bewährungsauflagen hält.

Die Tat, die ihn beinahe in die Psychiatrie gebracht hätte, war ganz schön deftig: Wegen einer Meinungsverschiedenheit verpasste er seinem Vater eine schallende Ohrfeige, die Fingerabdrücke auf dessen Wange hinterließ. Dann stürmte er im Adamskostüm eine benachbarte Bäckerei, bedrohte mit einem Klappmesser die Inhaberin und einen Kunden, von dem er verlangte, nach Regensburg chauffiert zu werden. Als ihm der Kunde entwischte, forderte er vom inzwischen hinzugekommenen Bäcker die Herausgabe von vier Euro zum Kauf von Zigaretten. Dann kehrte er ins Elternhaus zurück, wo ihn Polizeibeamte fixierten, denen er vorher auch noch eine "eingeschenkt" hatte.

All diese Delikte beging der Frührentner im Zustand der Schuldunfähigkeit, was ihm bei seiner Einlieferung in das Bezirkskrankenhaus Regensburg attestiert wurde. Dass es so weit kommen konnte, war auf das Absetzen von Tabletten zurückzuführen, wodurch er sein Verhalten nicht mehr steuern konnte.

Vorher war der inzwischen dank "Depot-Spritzen" wieder zur Normalität zurückgekehrte Beschuldigte nie straffällig geworden. Auf dem Berchinger Rossmarkt des Jahres 2006 hätte er zum ersten Mal Halluzinationen und Erscheinungen gehabt, die sich bis zu jenem verhängnisvollen 27. März des gleichen Jahres ins Unermessliche steigerten.

Dabei hatte der in München geborene und später mit der Familie in die Oberpfalz übergesiedelte Beschuldigte einen guten Start ins Leben. Seine drei Geschwister - eine Schwester ist Ärztin - haben wie er eine weiterführende Schule besucht. Danach wollte er so schnell wie möglich Geld verdienen, schlug sich mit Gelegenheitsarbeiten, u.a. bei Pfleiderer, durchs Leben, das bis heute seinen Mittelpunkt im Elternhaus hat.

Nach Zeiten der Arbeitslosigkeit fand er als Bierfahrer eine längerfristige Anstellung. Doch auch diese endete jäh, als er 1998 zum ersten Mal wegen Psychosen die Psychiatrie aufsuchen musste. Seit dieser Zeit musste er sich acht Mal einer Behandlung im Bezirkskrankenhaus unterziehen. Seit 2003 lebt er von einer Erwerbsunfähigkeitsrente von monatlich 1.050 Euro netto.

Bei der vielen Freizeit - sein einziges Hobby ist sein FC Bayern-Fanclub - blieb es nicht aus, dass er dem Alkohol verfiel. Und was kann einem Alkoholiker Besseres (in diesem Fall aber Schlimmeres) passieren, als dass er eine "Bierwette" gewinnt. Hundert Maß Weizen "ergossen" sich über ihn - und diese wollten "vernichtet" werden.

"Sind Sie denn wahnsinnig?", fragte Vorsitzender Richter Thomas Gruber, als der Beschuldigte treuherzig erzählte, dass er sich zwischen der Tat und der Verhandlung noch zweimal einer Entgiftung unterzog.

Nachdem die behandelnde Ärztin ihrem Patienten aber bescheinigt hatte, dass dieser aus eigenem Antrieb die Maßnahmen auf sich nahm, konnte er damit sogar punkten. Die Medizinerin bescheinigte dem Beschuldigten, dass er regelmäßig seine Spritzen über sich ergehen ließ und er jeden ärztlichen Rat befolgt hätte. Auch der medizinische Gutachter, Professor Dr. Michael Osterheide von der Universität Regensburg, sah bei dem Einsichtigen kaum mehr eine Gefahr auf Wiederholung, so dass die Öffentlichkeit vor ihm geschützt werden müsste.

Als dann gar noch Staatsanwältin Magdalene Schroeter zwar auf eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus plädierte, doch diese unter Auflagen zur Bewährung aussetzen wollte und sich der Verteidiger Norbert Schulz dieser Auffassung anschloss, erließ das Gericht das salomonische Urteil: "Die Unterbringung in der Psychiatrie wird angeordnet, aber unter Auflagen fünf Jahre zur Bewährung ausgesetzt."

Die Auflagen sind im einzelnen: die Fortsetzung der ärztlichen Behandlung, der Anschluss an eine Selbsthilfegruppe für Alkoholiker, die Verhängung eines absoluten Alkoholverbotes bei einem "Ausrutscher" (Rausch) und die Überwachung durch einen Bewährungshelfer.

"Selbst wenn Sie nur gegen eine dieser Anordnungen verstoßen, stehen Sie mit einem Bein in der Psychiatrie", drohte Vorsitzender Richter Thomas Gruber dem Frührentner, der als freier Mann den Gerichtssaal verlassen durfte.
Erich Zwick
19.04.07
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15. Jahrgang
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